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Kelten - eine Einleitung

Mein Chef im Keltendorf am Kulm sagte oft bei Führungen: "Die Kelten heißen Kelten wegen der Kälten, die da heroben immer herrscht." Was natürlich ein Scherz war, aber immer wieder nickten doch einige Besucher ernsthaft dazu.

 

Und eigentlich hießen die Kelten gar nicht Kelten – zumindest nannten sie sich selbst nicht so, soweit wir wissen. Die Griechen gaben (einem Teil von) ihnen den Namen keltoi. Caesar andererseits nannte einen großen Teil von ihnen Gallier (siehe sein Propagandawerk De bello gallico).

 

Und genaugenommen gab es "die Kelten" ja gar nicht. Sie waren kein Staat, keine Nation, nicht mal ein Volk. Es gibt keine großartigen DNA-Gemeinsamkeiten, die die Menschen jener Epoche als eine "Rasse" oder Gruppe bezeichnen ließe, keinen König, Kaiser oder sonstigen Herrscher, den sie alle anerkannten, keinen Staatsbürgerschaftsnachweis. Und dennoch nennen wir – auch ich – sie "die Kelten".

 

Man kann es mehr als eine Kultur bezeichnen, die sich von der römischen unterschied. Vergleichbar mit unserer "westlichen Kultur" im Gegensatz zum Islam z. B. Wir im Westen schauen dieselben Fernsehserien, tragen die gleichen Modelabels, essen dasselbe Fastfood, egal ob in Wien, Paris, New York oder Los Angeles, während Indien sein Bollywood hat, die Japaner ganz andere Lebensregeln, der Osten seine Burka. Wobei es heute mit der Globalisierung natürlich zu einer immer stärkeren Anpassung der einzelnen Kulturen aneinander kommt – so wie es kurz vor unserer Zeitrechnung wohl auch oft nicht mehr so klare Grenzen zwischen Kelten, Römern und Germanen gab, was ihren Alltag betraf. Schließlich waren die Kelten unter anderem große Händler und in vielen keltischen Gräbern finden sich Alltagsgegenstände eindeutig griechischer oder etruskischer Herkunft. Und untereinander geheiratet und römisch-keltische Nachfahren gezeugt haben sie auch (inwieweit immer ganz freiwillig sei dahingestellt).

 

Was einte nun diese keltische Kultur?

 

Erstmal eine gemeinsame Sprache. Ob nun wirklich all die damals nördlich der Alpen lebenden Stämme die gleiche Sprache sprachen oder ob es mehr vergleichbar damit ist, dass heutzutage das Englische so etwas wie eine "Weltsprache" ist, wissen wir nicht. Denn wir haben keinerlei schriftliche Aufzeichnungen der Kelten selbst (und Tonbandaufnahmen schon gar nicht), da sie nichts über ihre Kultur niederschrieben (auch etwas, das all diese Stämme vereint). Und ich schreibe bewusst, "über ihre Kultur", denn sie konnten schreiben, sie waren keine Analphabeten (auch wenn Caesar sie als Barbaren hinstellt – wobei das Wort Barbar von barbare herkommt, was lautmalerisch darstellt, dass diese Menschen eine Sprache sprechen, die man nicht versteht). Sie schrieben Handelsbriefe und -verträge, jedoch auf Griechisch oder Latein.

 

Weiters einte sie eine Vorliebe für eine bestimmte Mode, die sich sehr von der der Römer und Griechen unterschied. So kleideten sie sich im Gegensatz zu den römischen und griechischen Röckchenträgern in Hosen, sog. Braccae (das engl. Wort breeches für die Reithosen kommt davon) und liebten karierte Stoffe. (genaueres zur Mode in einem späteren Post, ebenso zu keltischen Wörtern in heutigen Sprachen)

 

Und auch ihre Spiritualität einte sie und unterschied sie von den Römern und Griechen. Sie hatten nicht nur einen Olymp voll von Göttern wie die Griechen (falls euch der Sinn nach einer humorvollen Betrachtung der griechischen Mythen anhand der Odyssee steht, kann ich euch unser Erzählkabarett "Odysseus auf Durchreise" empfehlen), für sie war alles "göttlich". Jeder Baum, jede Quelle … Sie unterschieden noch nicht zwischen materieller und immaterieller Welt, scheint es, sondern standen fest mit beiden Beinen in beiden Reichen. Und sie hatten zusätzlich zu dieser Welt noch die Anderswelt, in die man kam, wenn man hier starb. Hier gestorben, dort geboren, dort gestorben, hier geboren. Natürlich hatten sie dadurch keine Angst vor dem Tod, das machte sie zu furchtlosen Kriegern, die sich durchaus auch nackt in eine Schlacht stürzten.

 

Und was sie ebenfalls von den Römern unterschied, war ihre körperliche Größe. Caesar beschreibt sie als von großem Wuchs, die Frauen ebenso wie die Männer. Das kann natürlich relativ sein, denn die Römer waren eher klein, aber wir wissen aus Gräberfunden von Kelten, die durchaus über 1,80m waren.

 

Woher wir überhaupt etwas über die Kelten wissen, wenn sie doch nichts niederschrieben? Tja, vieles wissen wir nicht, das muss man schon sagen. Im Vergleich zu anderen Völkern, wie eben den Römern z. B., ist unser Wissen über die Kelten immer noch gering (was es für einen Autor spannend und einfach macht, über sie zu schreiben – nicht wie bei meinem Roman über das Ende des Ersten Weltkriegs, wo bereits ein Datumsfehler von einem Tag zu heftiger Kritik hätte führen können).

 

Schriftliches über sie findet sich nur in Berichten der Römer und Griechen. Was in beiden Fällen mit Vorsicht zu genießen ist. Caesar – unsere römische Hauptquelle – schrieb seine Berichte über die Gallier ja nicht zum Vergnügen, sondern um den Senat dazu zu bringen, ihm Feldzüge zu finanzieren. Ob da wohl alles wahrheitsgemäß war? (heutzutage würde natürlich nie ein Politiker einen anderen Staat als gefährlich, zu befreien oder unter Terrorismusverdacht hinstellen, nur um z. B. die dortigen Bodenschätze erobern zu können …) Bei den Griechen waren es eher Händler, die über jene Lieferanten jenseits der Alpen schrieben, das war unter Umständen mehr ein Werbekatalog (so wie "kauft Kleidung genäht von armen afrikanischen Frauen, die damit das Leben ihrer Familien in den Lehmhütten finanzieren").

 

In den letzten Jahren steigt unser Wissen aber enorm durch Ausgrabungen. Wobei auch dies meines Erachtens durchaus immer vorsichtig zu betrachten ist. Also, nicht die Ausgrabungen, aber die Schlussfolgerungen daraus. So bleiben z. B. von Holzhäusern bestenfalls die Stummeln der Steher im Erdboden erhalten und daraus leiten dann gelehrte Menschen ab, wie diese Häuser aussahen. Ein Grundriss ist da noch nicht so das Problem, aber alles über Bodenniveau? Das hängt dann doch auch sehr von der gängigen Lehrmeinung und den Vorstellungen der Gelehrten ab. Es gibt kein original Bildmaterial, das uns zeigen würde, ob / wie viele / wie große Fenster solche Häuser hatten, ob das Dach steil oder flacher, die Wände bemalt / verputzt / roh waren. Man zieht dann eben Vergleichsmaterial heute lebender Naturvölker her, aber vielleicht waren die Kelten ja ganz anders? So hatten ja auch die Römer ihre Fußbodenheizung (das Hypokaustum), das nach ihnen lange niemand besaß und für Menschen des Mittelalters wahrscheinlich jenseits ihrer Vorstellungen lag.

 

Über die experimentelle Archäologie wird heute versucht, sich alten Zeiten anzunähern und auszuprobieren, was wie funktioniert haben könnte aufgrund der Funde, die man hat. Dennoch darf man nicht vergessen, dass selbst wenn diese Archäologen wochenlang "auf keltisch" leben, sie Menschen der heutigen Zeit sind, mit heutigem Wissen und heutigem Weltbild. Und dementsprechend ihre Funde interpretieren. Wir können uns einfach nicht in einen Kelten verwandeln (wir schaffen es ja meistens nicht einmal, uns in eine bessere Version unserer selbst zu verwandeln). Und oft wird "Wissen" dann nach ein paar Jahren wieder uminterpretiert. Plötzlich war der gefundene Druide doch eine Frau, was zum Zeitpunkt der Ausgrabung einfach gesellschaftspolitisch undenkbar war. Oder man entdeckt durch Probieren, dass dieses oder jenes Ausgrabungsstück nur funktioniert haben kann, wenn man ein bestimmtes Teil doch ganz am anderen Ende montiert.

 

Ich stelle mir immer vor, dass in vielen Jahrhunderten jemand einen Friedhof der heutigen Zeit ausgräbt. Bei uns werden die Menschen vom Bestattungsinstitut ohne Schuhe begraben (weil Leder so schlecht verrottet). Wenn man nun viele solche Gräber findet, dann wird man sagen, die Österreicher kannten kein Schuhwerk, die liefen bloßfüßig, also muss es warm gewesen sein das ganze Jahr oder sie waren geistig minderbemittelt oder es war eine religiöse Sache, damit sie in gutem Kontakt zu den Energien der Erde standen. Herzschrittmacher, die irgendwo im Brustkorb eines Skeletts liegen, werden vielleicht als kultische Gegenstände interpretiert (denn bis dahin hat die Medizin ganz andere Lösungen für Herzschwäche).

 

Immerhin haben wir Plastik. Das gibt noch sehr lange Auskunft über uns (in einem Vorsprechmonolog, den ich in meiner Zeit als Schauspielerin geliebt habe, hieß es: "Gott gab uns Plastik, damit wir wissen, was Ewigkeit ist."). Die Kelten kannten nur natürliche Stoffe, von denen viele (zum Glück, sagt die Erde) verrotten – und hüllen sich so für uns immer in Geheimnisse ...

 

Randbemerkung: Ich bin Autorin, keine Historikerin, Archäologin oder Zeitreisende (das wäre spannend ...), ich gebe in meinem Blog einerseits nur meine Meinung weiter und andererseits Wissensbissen, die ich im Zuge meiner Recherchen für meine Keltenromane aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen habe. Da ich jemand bin, der sich zwar Informationen und Geschichten merkt, aber nicht wissenschaftlich arbeitet, verzeiht bitte, dass ich (meist) keine Quellenangaben mache, schon gar nicht zu Wissensbissen, die man in vielen Quellen findet.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Anneliese Wiesler (Mittwoch, 26 August 2020 15:55)

    ad Kelten - nichts Schriftliches hinterlassen .... (nicht ganz ernster Kommentar ...)
    wahrscheinlich hatten sie auch schon Computer - von unserer jungen Generation wird auch kaum Schriftliches überbleiben, wird wohl keiner Festplatten oder Smartphones aufheben ...
    Laptop-Beigabe im Grab wird auch nichts bringen .... aber immer wieder faszinierend, was man tausende Jahre später aus Knochen alles herauslesen kann .... daher besser ein Grab mit Knochen, als ein Häferl mit Asche ... (über die Umweltfreundlichkeit bei Übervölkerung lässt sich streiten, dieses Problem gab es damals nicht ...)