Zeit-Reise

 

Bis kurz davor habe ich noch gezittert, ob sie überhaupt stattfinden werden, aber zu meiner großen Freude hat das Landesmuseum Linz Corona getrotzt und so konnten sich etwa dreißig Archäologen zu den Interpretierten Eisenzeiten treffen – und ich mit dabei!

 

Erschütternderweise kann ich mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal alleine – ohne Mann und Kind(er) – für mehr als einen Tag weg war. So kam zu den zwei Tagen voller interessanter Vorträge und neuer Bekanntschaften auch ein Kurzurlaub vom Familienalltag dazu.

 

Es war ja schon richtigehend Schicksal, wie ich zu dieser Veranstaltung gekommen bin, eines jener Ereignisse, die schon fast zu verrückt für den Begriff Zufall sind. Vor einigen Monaten kontaktierte mich ein in den USA lebender Steirer, dem mein "Smertrios" gefallen hatte. Im Laufe einiger Emails erwähnte er Raimund Karl, einen Keltologen der Universität Bangor/Wales, den ich daraufhin mit einer Frage zum norischen König Voccio kontaktierte. Raimund war nicht nur äußerst hilfsbereit, als wir uns auf facebook verbanden, stellte sich auch noch heraus, dass er ebenso Wiener ist wie ich, und nicht nur das – wir waren am selben Gymnasium, mit nur einem Jahr Abstand … Durch ihn erfuhr ich von den Interpretierten Eisenzeiten und dann erzählte ich auch noch einer Freundin davon, die auch Archäologin ist, die dann ebenfalls beschloss, hinzufahren. So kam ich auch noch zu einer netten Autofahrts-Plauderei … und in Linz stellte sich dann heraus, dass meine Stiefcousine, die ich bei der Gelegenheit, in Linz zu sein, auf einen Kaffee traf, meine Archäologinnen-Freundin von einer gemeinsamen Veranstaltung kannte … Klein ist die Welt.

 

Für meine Keltenserie habe ich viele Inspirationen erhalten, auch wenn die meisten Vorträge sich mit einer Epoche etwa 300-400 Jahre vor "meiner" beschäftigten. Aber bestimmte Dinge haben sich damals wohl nicht so rasch gewandelt wie heutzutage, so wie sich ja auch in der Landwirtschaft zwischen Mittelalter und 18. Jahrhundert nicht allzu viel verändert hat. Ganz bestimmt wird in einem der Bände die Salzherstellung ihren Platz bekommen, ebenso wie die Bildkunst auf Situlen (tw. so explizit pornographische Metallgefäße, dass man den Kelten gewiss keine Prüderie vorwerfen kann …). Spannend war auch, wie sehr sich die wissenschaftlich orientierten Archäologen winden, sobald der Verdacht geäußert wird, etwas könnte vielleicht "kultisch" oder "religiös" begründet sein. Das hatte etwas von einem überzeugten Schulmediziner, dem gegenüber man Klangschalentherapie erwähnt. Dabei bin ich (und auch viele Archäologen) überzeugt, dass Religion und Rituale Teil des Alltagslebens waren und daher auch in die Interpretation von Funden einfließen müssen.

 

Überhaupt ist das Interpretieren ja so eine Sache … eine sehr amüsante, wenn man es nicht wissenschaftlich ernst nimmt und wir saßen durchaus zwischen den Vorträgen im Kaffeehaus und haben uns die abstrusesten Begründungen für bestimmte Funde ausgedacht. Da jauchzte das Autorinnenherz!

 

Linz brachte mir aber auch einen neuen Begleiter. Mein "kleiner Tod", den ich einmal für eine Allerheiligen-Erzählveranstaltung ("Vom schweren Leben, das der Tod hat") gehäkelt habe, hat sich zu meinem keltischen Wanderer gewandelt und es war ein großes Vergnügen, ihn als Fotomodell zu verwenden. Meine neue Serie betreffend, müsste er zwar eine keltische Wanderin sein, aber mit solchen Wesen ist die Geschlechtsbestimmung ja nicht unbedingt vonnöten. Ich finde, er ist äußerst fotogen!

 

Ich bin sehr dankbar, dass mir dieser Ausflug vergönnt war – wenn ich denke, dass all meine Erzählveranstaltungen und Lesungen abgesagt wurden, fühlten sich diese Tage mit all den interessanten Gesprächen und Begegnungen wie ein Geschenk an. In zwei Jahren bin ich gewiss wieder dabei – vielleicht sogar mit einem Vortrag (zumindest hat Raimund mich dazu angehalten) über die Sicht einer Romanautorin auf die Eisenzeit.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Rosemarie (Mittwoch, 28 Oktober 2020 00:13)

    So beeindruckend, den Wissensdurst der Autorin zu verfolgen. Ich freue mich schon auf die Werke!