
Für uns moderne, wissenschaftlich gebildete Menschen scheint die Idee, mit Toten zu kommunizieren, heute wie ein Sujet für einen Film, oder für eine Buch, aber kaum etwas, das man selbst versuchen würde (außer, man gehört zu jener Gruppe Menschen, die auf Seancen stehen).
Vor zweitausend Jahren jedoch war dies zwar vielleicht auch nicht alltäglich, aber doch etwas, an dem ein Interesse bestand. Und die Überzeugung herrschte allgemein, dass es möglich war, wenn man die richtigen Rituale ausführte. Die jedoch, muss man sagen, etwas fordernder waren als ein Ouija Brett auf den Tisch zu legen.
Für meine neue Trilogie in der Welt der Wortflechterin habe ich nun ein wenig dazu recherchiert. Nicht, um die Geister der Kelten zu befragen, was sie mir über ihre Zeit erzählen können – obwohl das großartig wäre, so aus erster Hand über das Leben der späten Eisenzeit zu erfahren – sondern weil meine Protagonistin fähig ist, Tote zu sehen. Ok, damit braucht sie dann auch keine Rituale mehr, die ihr dazu verhelfen, aber es ist für die Geschichte dennoch nötig und außerdem sind solche Recherchen immer spannend.
Über die Praktiken der Kelten wissen wir natürlich – wie immer – wenig, weil sie ja nichts selbst aufgeschrieben haben, aber dafür findet sich einiges über die Rituale ihrer Nachbarn und Zeitgenossen, die Griechen und Römer, die zum Ausgleich ja leidenschaftlich gerne geschrieben haben.
Ich gebe keine Gewähr, dass es funktioniert, wenn man den Anleitungen Folge leistet und habe auch nicht unbedingt das Bedürfnis, es auszuprobieren, denn auch wenn die Anleitungen nicht allzu schwierig wirken (es braucht zumindest keine weißblonden Jungfrauen dafür), so weiß man offenbar nie so recht, welche Toten man damit anruft. Und wenn sie einmal da sind, die Geister, dann ist nicht gesagt, dass man sie so leicht wieder los wird …
Außerdem sind wie in allen solchen „Rezepten“ gewisse Dinge (wie zum Beispiel Anrufungen) nicht genau ausgeschrieben, um eben zu verhindern, dass die falschen Leute damit Unsinn treiben. Ein Fachmann, eine Fachfrau hätte sofort gewusst, was hier zu sagen und tun wäre, ein Laie jedoch riefe vielleicht statt der richtigen Götter den Hund seines Nachbarn an. Oder einen Dämon der Unterwelt (Wie war das doch noch mal bei Faust?).
Interessanterweise gleichen sich die Beschreibungen des Rituals bei römischen und griechischen Autoren, sodass dies wohl die Standardvorgehensweise jener Epoche war und daher vielleicht auch auf die Kelten übertragbar, mit kleinen Änderungen wie Bier statt Wein.
Warum aber wollte man überhaupt mit den Toten sprechen? Für die Menschen der Antike war der Tod der eigentliche Normalzustand. Menschen waren insofern den Göttern gleich, dass sie eigentlich unsterblich waren, nur ihre Körper vergingen und verwesten, der Geist in der Anderswelt/dem Jenseits/der Unterwelt jedoch war unzerstörbar und es existierte keine Zeit für ihn, Vergangenheit und Zukunft waren ihm somit eins. Praktisch also, um den verstorbenen Großvater zu fragen, wo er denn im letzten Kriegszug sein Vermögen vergraben hatte oder die Mutter, ob man denn eine Reise über das Meer antreten sollte. Leider muss man sagen, dass Geister wie Orakel gerne in Rätseln sprachen und man nach all dem Aufwand der Anrufung – so man denn überhaupt den gewünschten Geist herbeizurufen schaffte – oft genauso klug war wie zuvor.
Mit der Anrufung von Verstorbenen sollte man besser auch nicht zu lange nach ihrem Tod warten. Wenn Opa schon vor Jahren gestorben war, so konnte es sein, dass er einem gar nicht antworten konnte – weil er längst wiedergeboren war …
Egal aber ob Odysseus mit Tiresias oder ein Weib in einem Text von Heliodorus, die Vorgehensweise gleicht sich zwischen dem 2. Jahrtausend vor Christus und dem 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus sehr – das Prozedere dürfte sich also bewährt haben …
Wichtig war es, einen geeigneten Ort zu finden, wo die Schleier zwischen den Welten dünn waren. Schlachtfelder waren hierfür gut geeignet, viele Geister hingen dort dauerhaft herum. Dann galt es, eine Rinne zu graben – etwa eine Unterarmlänge (genaugenommen vom Ellbogen bis zur Mittelfingerspitze) lang und ebenso tief. Dann bringe man in dieser Rinne den Toten Opfer dar – erst Milch und Honig, dann Wein, dann Wasser. Bei Odysseus folgt nun eine Gabe von weißem Gerstenmehl, knapp zweitausend Jahre später eine Puppe, gefertigt aus Teig. Danach folgen Anrufungen, durchaus auch Versprechen weiterer Opfer, und dann das Wichtigste – ein Blutopfer. Sei es von einem frisch geschlachteten Lamm (Odysseus) oder vom eigenen Arm (die Hexe von Bessa). Blut ist wie ein Magnet für Geister, denn es ist voller Lebensenergie. (Hmmm, hieße das, dass Frauen während ihrer Tage daher größere Aussichten hatten bzw. eher in Gefahr liefen, Geister anzuziehen?)
Wenn man Pech hat (wie Odysseus) kommen sie daraufhin in Scharen und es bedarf großer Mühen, sie vom Blut fernzuhalten, damit nur jene, mit denen man sprechen will, an den wertvollen Trank kommen.
Oft jedoch ist dann das, was man von den Toten zu hören bekommt, nicht unbedingt das, was man hören will. So war die Hexe von Bessa von der Prophezeiung, die ihr Sohn ihr gab, so verstört, dass sie stolperte und in einen Speer stürzte – was genau war, was ihr Sohn vorhergesagt hatte ...
Man kann den Toten natürlich auch wieder zum Leben erwecken – also, in gewisser Weise – um mit ihm zu plaudern. Am einfachsten ist es natürlich, wenn der Tote noch nicht lange tot ist, idealerweise noch nicht begraben. Von diesen Toten lässt sich auch noch ein halbwegs gutes Gespräch erwarten und man muss nur seine Lunge öffnen, damit seine Sprache Luft habe, dann eine – zum Glück – nicht genau bekannte Mischung an Giften hineinreiben (wie zum Beispiel Schaum vom Maul tollwütiger Hunde), die Götter anrufen und seine Frage stellen. Ein bisschen wie beim Wundermax in „Die Braut des Prinzen“ (einem wunderbaren Film!). Danach muss der Tote, der nun wie ein Zombie so halb zum Leben erwacht war, mit Sprüchen und Drogen verbrannt werden, da der Tod ihn schon einmal geholt hatte und es nicht ein zweites Mal tun konnte. (aus Lucans Pharsalia)
Da fragt man sich schon, ob diese Mühen und Gefahren es denn wert sind.
In der Antike jedoch gab es sogar eigene Necromanteions – Orte, an denen die Konversation mit den Toten besonders einfach war, zumeist Höhlen und Tunnelsysteme, durchaus auch welche mit giftigen Dämpfen. An manchen, wie dem Plutonium in Hierapolis/Türkei siedelten sich sogar Priesterinnen an, um den hilfesuchenden Menschen den Kontakt zu erleichtern.
Und auch in der Antike gab es schon Geister, die man gar nicht erst rufen musste, weil sie wegen unerledigter Geschäfte im Zwischenreich zwischen hier und drüben hängen geblieben waren und nun die Menschen belästigten, bis ihre Bedürfnisse erfüllt waren.
Diese Art von Geistern spielt in der neuen Trilogie eine große Rolle.
Mag es uns heute nach Fantasy und Halloween-Grusel klingen, für die Menschen der Antike waren Geister und Gespräche mit den Toten ebenso real wie Flüche, für die es auch viele (wirksame?) Beweise gibt aus jener Zeit (siehe den Blogbeitrag: Flüche – Fantasy oder historisch? )
Und das wiederum finde ich das Spannende an dieser längst vergangenen Epoche – diese Welt, in der alles noch so miteinander verwoben war.
Wer sich mehr für die Riten der Antike interessiert, dem sei „Ancient Magic“ von Philip Matyszak empfohlen, das zu meinen Recherchebüchern gehört. Oder überhaupt all seine Bücher, so man sich mehr für die Römer denn für die Kelten interessiert.
Von den Göttern gesegnet, von ihrem Meister verflucht, war die Bardin Arduinna gezwungen, alles für ihre Liebe zu opfern.
Eine keltische historische Romanserie, die dich in Zeiten versetzt, als Wörter Waffen sein konnten und deine einzigen Freunde ein Wolfshund und ein Rabe.
Tauch ein in die Welt der Kelten und fühle den Pulsschlag jener Zeit in dir!
Randbemerkung: Ich bin Autorin, keine Historikerin, Archäologin oder Zeitreisende (das wäre spannend ...), ich gebe in meinem Blog einerseits nur meine Meinung weiter und andererseits Wissensbissen, die ich im Zuge meiner Recherchen für meine Keltenromane aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen habe. Da ich jemand bin, der sich zwar Informationen und Geschichten merkt, aber nicht wissenschaftlich arbeitet, verzeiht bitte, dass ich (meist) keine Quellenangaben mache, schon gar nicht zu Wissensbissen, die man in vielen Quellen findet.
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