Mäuseadvent

Ein tierisches Märchen für Kinder

 

Es war einmal eine Mäusefamilie, die lebte in einem hübschen Menschenhaus unter den Bodenbrettern. Die kleinen Mäuse liebten es, heimlich im Haus herumzuschleichen und dann ihrem Großvater, dem weisen, alten Mäuserich, von ihren Abenteuern zu erzählen.

Als die Tage kürzer und kälter wurden, stießen die kleinen Mäuse jedoch auf Dinge, die sie nicht verstanden.

"Großvater, Großvater, du bist doch so weise. Als wir heute in die Stube kamen, da fanden wir die Kinder ganz aufgeregt. Sie hatten alle eine flache Schachtel, auf der war ein buntes Bild und lauter Zahlen, ganz durcheinander. Und die Kinder, sie haben lange auf das Ding gestarrt, und dann geschrien "Ich hab die Eins!" und ein Stück der Schachtel aufgerissen und ein Stück Schokolade entnommen. Sag, Großvater, was ist das?"

"Nun", sagte der weise Großvater, der schon lange im Haus der Menschen lebte und mit ihren Gebräuchen vertraut war, "um diese Jahreszeit testen die Menschen, wie gut ihre Kinder schon gelernt haben, zu zählen, ob sie die richige Reihenfolge der Zahlen kennen. Und weil Menschenkinder so wie Mäusekinder mit Belohnungen besser lernen, bekommen sie für die richtige Reihenfolge jeden Tag ein Stück Schokolade. Den Menschen ist mathematische Bildung sehr wichtig, müsst ihr wissen."

"Die Menschen sind sonderbar", sagten die Mäusekinder.

Bald kamen sie jedoch zu ihrem Großvater zurück.

"Großvater, Großvater, du bist doch so weise. Nun haben die Menschen einen Kranz auf den Tisch gestellt, darauf sind vier Kerzen. Alle Dinge beginnen doch ganz klein, wieso zünden sie zuerst die größte an, und nur diese?"

"Nun", sagte der weise Großvater, "den Menschen sind Rang und Ordnung sehr wichtig, deshalb wollen sie mit diesem Symbol die Rangordnung in der Familie klar stellen. Zuerst kommt der Größte, der Vater. Dann kommt die zweitgrößte dazu, das ist die Mutter, und erst wenn die beiden zusammen brennen, kommt das erste Kind und dann das zweite. So weiß jeder, wo er steht, in der Rangordnung."

"Die Menschen sind sonderbar", sagten die Mäusekinder.

Einige Tage später wandten sie sich wieder an Großvater.

"Großvater, Großvater, du bist doch so weise. Du wirst nicht glauben, was heute Nacht geschehen ist! Die Menschen haben ihre Schuhe geputzt und aufgereiht, und heute morgen sind sie voll mit Mandarinen und Nüssen! Sag, Großvater, was ist das?"

"Nun", sagte der Großvater, "die Menschen sind abergläubische Wesen. So bringen sie jedes Jahr an einem bestimmten Tag dem Schuhgott Opfer dar, damit er den Rest des Jahres ihre Schuhe frei von schlechten Gerüchen halte."

"Oh", kicherten die Mäusekinder, "Die Menschen sind sonderbar."

Als süßer Duft durch die Stube wehte, kehrten sie zu Großvater zurück.

"Großvater, Großvater, du bist doch so weise. Seit Stunden stehen die Menschen in der Küche und machen kleine Teigfladen, die sie verzieren und backen. Sag Großvater, was ist das?"

"Nun", sagte Großvater, "Dies ist wahrlich ein sonderbarer Brauch, sie nennen es Kekse backen. Das ganze Jahr jammert die Frau, sie sei zu dick, doch um diese Zeit des Jahres beginnt sie, Berge an süßen Keksen zu backen. Es ist wohl ein Urinstinkt, der den degenerierten Menschen erhalten geblieben ist, so dass sie in dieser Form Vorräte für den Winter anlegen, weshalb diese Kekse auch in Dosen verpackt werden, die nur mit Erlaubnis der Mutter geöffnet werden dürfen, wenn sie meint, die Gefahr einer Hungersnot sei vorüber."

"Die Menschen sind sonderbar", sagten die Mäusekinder.

Doch bald kehrten sie wieder.

"Großvater, Großvater, du bist doch so weise. Nun haben die Menschen in der Stube ein kleines Haus aufgebaut, darin sind kleine Menschenfiguren, ein Mann, eine Frau und ein Baby. Sag, Großvater, was ist das?"

"Nun", sagte der Großvater, "Ich sagte schon, sie sind abergläubisch. Mit diesem Häuschen schicken sie dem Fruchtbarkeitsgott ein Gebet um mehr Nachwuchs, denn es bedrückt die Menschen, dass sie sich nicht so zahlreich vermehren wie wir Mäuse. Sie glauben, um mehr Kinder zu bekommen, reicht es, dieses Haus aufzustellen und davor "Ihr Kinderlein kommet" zu singen."

Die kleinen Mäuse, die alle wussten, wo die kleinen Mäuse herkamen, lachten. "Die Menschen sind sonderbar!"

Aber schließlich kamen sie völlig aufgeregt zurück.

"Großvater, Großvater, du bist doch so weise. Du wirst nicht glauben, was nun geschehen ist! Die Menschen haben einen alten, toten Tannenbaum in die Stube gestellt, dessen Reisig schon zu rieseln beginnt, und sie haben ihn mit Kugeln und Kerzen geschmückt und in Papier gewickelte Schachteln liegen darunter!"

"Nun", sagte der Großvater, "dies ist wohl der eigenartigste Brauch. Jedes Jahr versuchen die Menschen, ihre Behausung niederzubrennen, indem sie um teures Geld einen Baum kaufen, der vor Wochen gefällt wurde, und damit die Chancen auf einen Brand größer sind, legen sie noch all das Papier darunter. Und wenn es klappt, dann freuen sie sich wie verrückt über die blaue Festbeleuchtung, mit der diese großen roten Wagen kommen, um mit ihnen den Erfolg zu feiern. Und dann malen sie neu aus und richten alles neu ein."

"Die Menschen sind sonderbar!", riefen die Mäusekinder.

Und dann rief die Mäusemutter, es wäre Zeit zu feiern, dass das Licht nach der längsten Nacht wiederkehrt. Und die Mäusekinder setzten sich gemeinsam mit dem Großvater rund um den großen Käsehaufen, der die Sonne symbolisiert, und nachdem sie "Dunkle-e Nacht, längste Nacht, die Katze schläft, die Maus, die lacht" gesungen hatten, bekam jedes Mäusekind ein großes Käsestück geschenkt und sie aßen und lachten und freuten sich, dass wieder jene besondere Nacht war. Und ein wenig taten ihnen die Menschen leid, die so sonderbar waren und keine Ahnung hatten, wie schön solche Feste waren.

(MW)