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Kelten - Klischee vs Realität

Kelten - Klischee und Realität

 

Wenn wir uns in diesem Blogpost dem Versuch widmen, hinter all die Klischees zu blicken, die beim Wort „Kelte“ in den Köpfen auftauchen, so muss ich gleich vorausschicken, dass selbst das Wort Kelte solch ein Klischee ist, denn es gibt ihn nicht, DEN Kelten (oder DIE Keltin).

Eigenschaften und Fakten den „Kelten“ zuzuordnen, ist so, als würde man sagen, „Die Europäer essen Pizza“ oder „Die Menschen zwischen Mittelalter und heute haben den Eiffelturm gebaut“.

Selbst in der Wissenschaft gibt es keine einheitliche Definition der Begriffe „Kelten“ und „keltisch“ – je nachdem, ob man mit Archäologen, Historikern oder Linguisten spricht, wird man andere Meinungen hören.

 

Dennoch lassen sich einige der gängigsten Klischees widerlegen/bestätigen/erklären und dies will ich hier versuchen, ohne Anspruch auf irgendwelche Vollständigkeit.

(Gerne könnt ihr mir weitere Klischees schicken, die euch zum Begriff Kelten einfallen!)

 

Klischee:

DIE KELTEN LEBTEN IN IRLAND

 

Realität:

Ja, ABER … die keltische Kultur erstreckte sich über einen weit größeren Raum (und eine weit längere Zeit, als uns die heutige irische Werbung glauben lässt). Irland war jenes Land, in dem sich das Keltentum zumindest sprachlich am allerlängsten hielt, weil Irland nie von den Römern erobert wurde und heute wird eine Rückbesinnung auf die keltischen Wurzeln durchaus lukrativ ausgenutzt. In seiner weitesten Ausdehnung erstreckte sich die keltische Kultur jedoch von Kleinasien über nördlich der Alpen und Frankreich bis zu Iberischen Halbinsel und eben England und Irland. Doch da es sich bei den Kelten eben um eine Kultur und nicht um ein Volk, eine Nation handelt, wurde die Größe ihres Einflussbereichs nie so bewusst wahrgenommen wie das Römische Reich (das ja genau genommen auch nicht aus einem einzigen Volk bestand, sondern aus vielen, die im Laufe der Zeit aber in dieses Reich eingegliedert wurden, zumeist auf kriegerische Weise) …

 

Klischee:

DIE KELTEN SIND EIN VOLK

 

Realität:

Siehe oben – die Kelten waren eine Kultur, geeint durch gewisse Verhalten, Vorlieben und Glaubensvorstellungen. So wie wir in Europa heute der westlichen Kultur zugeordnet werden können, denn wir tragen alle ähnliche Art von Kleidung, in unseren Supermärkten finden sich ähnliche Produkte, wir haben ein ähnliches Schulsystem, sehen alle die gleichen Hollywood Filme, etc, während zB in Asien ganz andere Lebensmittel auf den Tisch kommen, ganz andere Dinge als höflich oder unhöflich angesehen werden und ganz andere Lebensentwürfe vorherrschen (wobei durch die Globalisierung all dies Unterschiede immer mehr abflachen – so wie aber auch bei den Kelten Töpferkunst aus Griechenland großen Einfluss auf den Töpferstil nördlich der Alpen hatte).

Die Kelten schlossen sich nie zu einem großen Stamm zusammen – mochte Caesar auch von Gallien reden, so war dies kein Reich, sondern viele einzelne Stämme, von denen manche miteinander Bündnisse schlossen, andere einander bekriegten.

Eine Ausnahme mag hier Noricum bieten (großteils dem heutigen Österreich entsprechend). Hier schlossen sich um 200 v. Chr. 12 Stämme zu einem Reich zusammen. Wie lange dieser Bund hielt, ist aber nicht bekannt.

 

Klischee:

KELTEN SIND NATURLIEBEND

 

Realität:

Das hängt davon ab, wie man diesen Begriff definiert. Sie waren gewiss naturverbundener als wir – schon zwangsweise, denn auf der ganzen Welt lebte der Großteil der Menschheit in enger Verbindung mit der Natur (schließlich waren bis zur Industriellen Revolution stets etwa 90% oder mehr der Bevölkerung Bauern). Ob sie die Natur liebten ist eine andere Frage. Gewiss fürchteten sie sie auch, denn Unwetter und Dürren konnten ganze Ernten vernichten und damit einen Stamm einer Hungersnot ausliefern. Ihre Dankbarkeitsrituale waren wohl von einer anderen Form von Dankbarkeit als bei heutigen „Neopagans“, die sich an der Natur in ihrer Umgebung erfreuen, aber in Zeiten von globalen Lebensmittellieferungen nicht von ihr abhängig sind. Früher (und nicht nur zur Zeit der Kelten) war Dank auch immer ein Versuch, die Götter/die Natur zu besänftigen und einem wohlgesinnt zu machen.

 

Vielleicht war ihr Bezug zur Natur gar nicht so unähnlich unserem Gefühl unserem Handy gegenüber heutzutage – wer kennt nicht die Unruhe, die einen befällt, wenn man es verloren hat? Die Abhängigkeit, um seinen Weg zu einem unbekannten Ziel zu finden? Mit anderen in Kontakt zu treten? Nur, dass es damals eben ums Überleben ging, nicht um Unannehmlichkeiten. Vielleicht also eher das Gefühl eines Kleinkindes gegenüber den Erwachsenen, die sein Überleben sichern – teilweise Liebe, aber je nach Erwachsenem (je nach Wetter und Laune der Götter) auch Angst, Hilflosigkeit, Zorn.

Und man darf auch nicht vergessen, dass die Kelten (wie alle Menschen auch noch lange nach ihrer Zeit) die Natur auch ausbeuteten. Wälder wurden gefällt (und nicht wieder aufgeforstet, denn es gab ja gefühlt unendlich viel Wald), und nicht nur als Brennholz und Bauholz. Wir befinden uns bei den Kelten in der Eisenzeit, die so heißt, weil hier Eisen als Werkstoff mit großer Leidenschaft benutzt wurde. Und so wie wir heute im digitalen Zeitalter für unsere Computerserver die Natur ausbeuten und ruinieren (Strom, Wasser zur Kühlung etc), so brauchte es damals zur Herstellung von Eisen Unmengen Holz für die Verhüttung des Eisengesteins zu Eisen, für die Feuer in den Essen der Schmieden ...

 

Klischee:

KELTEN HABEN DRUIDEN

 

Realität:

Ja, zumindest manche Stämme. Laut Caesar war das heutige England die Elitestätte der Druidenausbildung und wer auf sich hielt, ließ sich dort zum Druiden erziehen. Gallische Stämme hatten Druiden. Für andere Gegenden (Noricum, die Galater in Kleinasien etc) gibt es keinerlei Nachweise. Kann sein, muss aber nicht sein. Und ob sie wie in manchen Darstellungen stets in langer weißer Kleidung herumliefen, wissen wir auch nicht. Auch ein Priester trägt nicht jeden Tag Talar.

 

Klischee:

KELTEN KÄMPFTEN NACKT

 

Realität:

Römische Statuen, die keltische Krieger darstellen (hiervon gibt es einige, vor allem solche, in denen sich besagter Kelte selbst tötet oder gerade stirbt), zeigen sie nackt, nur mit einem Torque (einem goldenen Halsreif) „bekleidet“. Auch heißt es, sie kämpften nackt, um ihren Mut zu zeigen. Darstellungen von Kelten in ihren Heimatgebieten, hergestellt von keltischen Steinhauern, zeigen sie zumeist bekleidet, mit dem Schwert an ihrer rechten (!) Seite. Es gibt Funde von einer Form von Kettenhemd, von Helmen, auch Linothoraxe (eine Art Brustpanzer, hergestellt aus mehreren verleimten Leinenschichten) sollen in Gebrauch gewesen zu sein. Also, ja, es gab nackte Kämpfer, aber nicht jeder Kelte kämpfte nackt. Vielleicht waren die nackten Krieger eine besondere Gruppe, so wie es unter den Wikingern jene gab, die zum Berserker wurden.

 

Klischee:

KÖNIG ARTHUR UND AVALON SIND SINNBILDER DES KELTENTUMS

 

Realität:

Nuuun … naja. Nein. Die Legenden um Arthur und die Tafelrunde sind im Mittelalter in Frankreich entstanden. Der „reale“ Arthur wird in zwei Dokumenten als Kriegsherr (nicht König) erwähnt, im 4. Jahrhundert nach Christus. Es gibt Theorien, dass er entweder Römer war oder Sarmate (eine „Stammeskonföderation“ im Gebiet des Ural/Ukraine/Iran). Aber es sind schöne Legenden und Marion Zimmer Bradleys Buch „Die Nebel von Avalon“ der Grund, der durchaus einen Teil aller Keltologie-Studenten in dieses Studium treibt. Insofern tut Arthur schon Gutes, um die Kelten populärer zu machen … :-)

 

Klischee:

STONEHENGE WURDE VON DEN DRUIDEN ERBAUT

 

Realität:

NEIN! Stonehenge wurde von den Druiden wohl genutzt (und wird es heute noch von den Neopagans), aber erbaut wurde es viiiieeeel früher.

 

Klischee:

KELTEN WAREN GRAUSAME KRIEGER

 

Realität:

Ja. Jedes Volk, das eine eigen Kriegerkaste hat, hat grausame Krieger. Es gibt keine lieben Krieger. Krieger töten, das ist ihr Job. Und sie töten (oft) auch Unschuldige. Aus hehren Motiven meist, um ihr Volk zu schützen, aber die Tatsache bleibt, sie töten und sind grausam.

Hierzu aber auch zu klarifizieren: die Kelten hatten grausame Krieger. Aber nicht jeder Kelte war Krieger. Druiden z.B. waren vom Dienst an der Waffe befreit. Mehr als 90% der Kelten waren Bauern, griffen zwar gewiss auch zur Waffe, wenn es nötig war, aber in ihren Gräbern (sofern man Gräber von ihnen findet) liegen keine Schwerter, denn sie nutzen wohl ihre Sensen, Dreschflegel, Knüppel etc als Waffe. Oder Steinschleudern (ein Riemen aus Stoff/Leder, mit dem ein Stein in einer drehend-ruckartigen Bewegung geschleudert wurde, kein Y-förmiger Ast mit Gummiband...), wie man sie auch auf den Weiden nutzte, um Wölfe fernzuhalten. Sie verbrachten nicht einen großen Teil ihrer Zeit damit, sich an Waffen zu üben, wie Krieger es tun.

 

Was den Kelten als besonders grausam angerechnet wird, ist ihr Kopfkult. Denn sie schnitten den getöteten Feinden die Köpfe ab, balsamierten diese (laut Caesar) auch in Zedernöl, um damit anzugeben (ich will jetzt keinen Vergleich zu heutigen Trophäen-Jägern ziehen). Zwei Gedanken hierzu: Wie bei allem, was Caesar sagt, sind seine Aussagen mit Vorsicht zu genießen. Er hat keinen Tatsachenbericht geschrieben, sondern Propaganda, um Gelder für seine Kriegszüge zu bekommen. Und vielleicht hatte das Einbalsamieren andere Gründe als Angeberei. Vielleicht war es ein Zeichen von Ehrfrucht, den Kopf des Feindes aufzubewahren. Oder eine Schutzmaßnahme, denn es heißt, für die Kelten saß die Seele im Kopf und ohne Kopf konnte ein Feind nicht wiedergeboren werden.

 

Klischee:

KELTISCHE FRAUEN WAREN GLEICHBERECHTIGT

 

Realität:

Sie waren, so weit wir das Schriften ihrer griechischen und römischen Zeitgenossen entnehmen, gleichberechtigtER als römische Frauen. Was bedeutet (zumindest, wenn wir die frühesten irischen Gesetzestexte als Grundlage nehmen), dass sie sich scheiden lassen konnten (wobei, das konnten römische Frauen in gewissen Phasen des Römischen Reichs auch). Dass es in der Ehe eine Vermögensteilung gab -- den gleichen Betrag, den die Frau an Geld in die Ehe brachte, legte der Mann dazu und dieses Geld wurde gemeinsam verwaltet. Wer den anderen überlebte, bekam beide Teile -- was aber der Mann mit allem restlichen Vermögen machte, war sein Ding. Auch war der Mann das Oberhaupt der Familie, der Sippe, und als einziger "rechtsmündig".

Natürlich gab es herausstechende Ausnahmen, wie Boudicca, die einen Rachefeldzug gegen die Römer startete. Aber wie gleichberechtigt Frauen in der späten Eisenzeit tatsächlich waren, können wir aufgrund der Funde, die es gibt, nicht sagen. Wir wissen aus Gräberfunden, dass einige Frauen Kriegerinnen waren. Andere wohl Druidinnen/Schamaninnen. Dass manche von ihnen mit viel und wertvollen Grabbeigaben bestattet wurden, was wohl auf einen hohen Rang in der Gemeinschaft hinweist (oder auf ein Protzen des Ehemannes). Aber ob das alles bedeutet, dass sie gleichberechtigt waren, so wie wir uns das heute erhoffen (sind wir es denn???), ist fraglich. Ebenso, ob die keltische Stellung der Frau eventuell gar ein Überbleibsel eines früheren Matriachats war. Vielleicht war das Verhältnis Mann-Frau früher überhaupt ganz anders, als wir uns das mit unseren modernen und patriachalisch geprägten Gehirnen vorstellen können.

 

Klischee:

KELTEN LIEBTEN MYSTIK, FABELWESEN, GÖTTER; SIE WAREN ABERGLÄUBISCH

 

Realität:

Ja, in gewisser Weise. Viele Schmuckstücke und Kannen zeigen Wesen, die Mischwesen sind, Fabelwesen. Sie hatten unzählige Götter, jedes Dorf seinen eigenen. Aber es ist fraglich, ob man dies als Mystik im heutigen Sinne bezeichnen kann. Es hatte nichts Mystisches für sie, schätze ich. Es war Alltag und Realität. Religion war viel enger mit dem normalen Leben verwoben als heute. Unerklärliche Dinge wurden den Göttern zugeschrieben, so wir heute sagen „heute spinnt der Drucker wieder“, obwohl der Drucker kein Wesen ist, sondern nur ein Gerät. Oder wie manche mit Alexa oder Siri plaudern, als wäre es ein Mensch (und wir halten uns für Menschen der Wissenschaft...).

Früher mochte ich den Göttern ein Opfer darbringen, um eine gute Ernte zu gewährleisten, weil man das eben so tat – heute glaube ich irgendwelchen Versprechen der Werbung und schlucke Pülverchen, mit denen ich mich besser fühle, obwohl ich keine Ahnung habe, was all die Inhaltsstoffe bedeuten.

Fraglich also, was man als Aberglauben bezeichnet. Eine Keltin des ersten Jahrhunderts vor Christus würde wohl vieles, das wir heute tun, als Aberglauben bezeichnen (oder als Zauberei).

Und wenn ich mir ansehe, wie beliebt Pokemon sind, dann sehe ich da auch wenig Unterschied zu den Fabelwesen der Kelten … (auch werden viele archäologische Fundstücke, deren Bedeutung wir nicht wissen, gerne als „Kultobjekte“ abgestempelt, wo ich mir bei manchen denke: „Vielleicht war es auch nur ein Kinderspielzeug“, aber das ist ein anderes Thema)

 

Klischee:

KELTEN SIND WIE IN DEN ASTERIX BÜCHERN BESCHRIEBEN

 

Realität:

Asterix zeigt durchaus ein grobes Bild des Keltentums, das recht stimmig ist (abgesehen vom Zaubertrank). Karierte Stoffe waren sehr beliebt, lange Hosen, Tunika-artige Oberteile, Umhänge. Man lebte in kleinen Dörfern und Gehöften, aber es gab auch schon große Siedlungen. Vieles ist modernem Humor angepasst, aber die Erschaffer der Comixbände haben durchaus ihre Hausaufgaben gemacht (und machen sie in den neuen Bänden auch noch).

 

Klischee:

KELTEN WAREN PRIMITIVE BARBAREN

 

Realität:

NEIN!! Ja, es ist das Bild, das auch noch in meiner Schulzeit (lange her …) beschworen wurde, wenn wir im Geschichtsunterricht uns ein Jahr durch Ägypten quälten, dann ein Jahr Griechen und Römer und dann gab es zwei Sätze zu den Barbaren nördlich der Alpen (ein wenig Gallischer Krieg im Lateinunterricht, aber keiner sagte, dass die Gallier Kelten waren) und ab ins Mittelalter …

Die Ausgrabungen vor allem der letzten Jahrzehnte, aber auch schon jene Funde im Gräberfeld in Hallstatt im 19. Jahrhundert beweisen eindeutig, dass die Kelten keine Barbaren waren und schon gar nicht primitiv. Was sich europaweit an unglaublich kunstvollem Schmuck, an detaillierten Verzierungen, an z.B. umwerfenden goldenen Schuhblechen findet, spricht für eine Kultur, die sehr hoch entwickelt war.

Auch gehen viele Erfindungen auf die Kelten, auf die Eisenzeit zurück. Sie waren Meister an diesem „neuen“ Werkstoff und die Römer haben viele ihrer Entwicklungen übernommen, wie die eiserne Pflugschar, die Sense, das metall-umspannte Wagenrad ...

 

Einzig in einer Weise darf man das Wort Barbaren (ohne den Zusatz primitiv) gelten lassen, nämlich in seiner ursprünglichen, griechischen: barbar hieß einfach: jemand, der in einer fremden, mir nicht verständlichen Sprache spricht. Insofern passt es auch auf so manchen Teenager, der gespikt mit Jugendsprache etwas in seinen dürftigen Pubertäts-Bart brummelt …

 

Klischee:

KELTEN KONNTEN NICHT SCHREIBEN

 

Realität:

Kelten haben nichts über ihre Kultur aufgeschrieben, aber sie konnten schreiben. Nicht alle, aber wir sind damals auch noch weit von einer Schulpflicht entfernt, wo jedes Kind schreiben lernen musste und es finden sich heute weltweit auch noch viele Analphabeten. Jene, die schreiben konnten, nutzten das griechische oder römische Alphabet, um z.B. Tonwaren mit ihrem Namen zu versehen, Handelsbriefe zu schreiben … Aber ihre Kultur war eine der mündlichen Wissensweitergabe, die Gründe dafür liegen im Dunkel und ihr Nicht-Schreiben macht es uns leider in vielem schwer, die Kelten zu verstehen.

 

Klischee:

KELTEN HAUSTEN IN PRIMITIVEN HOLZHÜTTEN, WIE MAN SIE OFT IN KELTEN-FREILICHTMUSEEN SIEHT

 

Realität:

Kelten bauten aus Holz, ja. Das erschwert es den Archäologen sehr, denn während von den Griechen und Römern heute noch Tempel und Häuser aus Stein stehen, blieben von den keltischen Häusern bestenfalls die Pfostenlöcher im Boden oder sichtbare Reste ihrer Feuerstellen. Von ein paar Löchern lässt sich schwer darauf schließen, ob die Häuser ebenerdig oder einstöckig waren, welchen Winkel das Dach hatte, ob sie Fensteröffnungen hatten und wenn ja, wie groß diese waren … Aber ich bin ganz und gar der Ansicht von Professor Raimund Karl, dass ihre Häuser sicher nicht so primitiv waren wie in vielen Keltendörfern dargestellt. Eine Kultur, die Schmuck in solch filigraner Schönheit wie die Kelten herstellte, wird auch in seinem Wohnumfeld auf Schönheit und Verzierungen Wert gelegt haben.

 

Was wir aus Ausgrabungen wissen ist, dass die Kelten am Festland in rechteckigen Häusern lebten, während jene auf den Inseln Rundbauten vorzogen. Der Bereich eines Gehöfts wurde gerne mit einer Palisade umschlossen. Es gibt eine Tendenz, dass Eingänge nach Osten ausgerichtet waren, Schlafstätten waren vorzugsweise auf der Nordseite des Hauses, während die Südseite als Arbeitsbereich bevorzugt wurde (was einem auch der Hausverstand sagt, wenn ich in einer Epoche ohne künstliches Licht lebe, werde ich meinen Arbeitsbereich dorthin legen, wo bei Fensteröffnungen am meisten Tageslicht hereinkommt).

 

Klischee:

DIE ZEIT DER KELTEN ENDETE MIT DER CHRISTIANISIERUNG

 

Realität:

Die Zeit der Kelten endete am Festland schon früher, nämlich jeweils mit der Eroberung des Gebietes durch die Römer. Im heutigen Frankreich also um 50 v. Chr. (Eroberung durch Caesar, Gallischer Krieg, ein Gemetzel, wenn wir uns ehrlich sind), im heutigen Österreich 15 v.Chr., angeblich mit einer friedlichen Eingliederung ins Römische Reich.

 

In Irland dann tatsächlich durch den Übergang ins Christentum, wobei das irische Christentum viel des alten „Aberglaubens“ beibehielt, so wie auch im restlichen Europa viele der keltischen Gottheiten erst in den römischen Pantheon aufgenommen wurden und dann als Heilige verchristianisiert wurden.

 

Klischee:

NEUHEIDEN/NEOPAGANS SIND DIE NACHFAHREN DER ALTEN DRUIDEN

 

Realität:

Kein Neuheide oder Pagan kann wohl seinen Stammbaum so weit zurückverfolgen. Das Neuheidentum/der Neopaganismus ist Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, geprägt von der Zeit des Neoklassizismus, in der man sich auf die „gute alte Antike“ rückbesinnte.

Es gibt viele Strömungen (Wicca, Druids …) und Vereinigungen, vor allem in den USA. Sie alle achten die Natur, sind poly- oder pantheistisch und von einer recht großen Freiheit im Glauben geprägt, der Grundsatz „Tue was du willst, solange es keinem schadet“ lässt sich wohl auf die meisten von ihnen anwenden.

Sie feiern meist die Jahreszeitenfeste (4 Sonnenfeste und 4 Feste dazwischen), wo man annehmen kann, dass zumindest die Sonnwenden und Tagundnachtgleichen auch schon „damals“ gefeiert wurden, auch die anderen 4 Feste finden sich in manchen Legenden wieder – doch aus der Eisenzeit haben wir keine Belege dafür.

 

Mögen sie sich auch nicht auf „original“ Quellen berufen können (weil wir einfach zu wenig haben), so sind ihre Weltanschauungen manch anderer Glaubensgemeinschaft in meinen Augen vorzuziehen. Leider werden Neopagans gerne in der rechte Szene verortet, vielleicht wegen der Verwechslung Keltentum und Germanentum, und man tut ihnen mit dieser Verortung unrecht. Ein gutes Buch zum Thema Neopaganismus bietet Jutta Leskovar mit Wicca.Kelten.Schamanen.

 

Letztes Klischee:

DER KELTISCHE BAUMKALENDER IST KELTISCH

 

Realität:

NEIN! Der keltische Baumkalender, eine Art Horoskop, auf verschiedensten Baumarten beruhend, ist absolut nicht keltisch. Er wurde 1970 von einem französischen Frauenmagazin erfunden, um die Saure-Gurken-Zeit im Sommer zu überbrücken … Ja, die Kelten waren naturverbunden und es gibt ein Gedicht/Lied über „Die Schlacht der Bäume“ in der einzelnen Baumarten bestimmte militärische Ränge zugeordnet werden, es gab in Irland im 4. Jhdt. n. Chr. auch sogenannte Ogham-Alphabete, in denen Buchstaben verschiedenen Pflanzen zugeordnet wurden (aber es gab nicht nur ein Baum-Alphabet, sondern auch ein Tier-Alphabet etc, vielleicht war es einfach ein wenig wie die Taferlklassler-Poster, wo dann steht: A wie Affe, B wie Bär …, wenn auch vielleicht mit mehr Tiefgang). Aber es gibt keinerlei Beleg, dass dieser Baumkalender auch nur irgendwie historisch ist (zumal manche der Baumarten in den keltischen Gebieten auch gar nicht existent waren).

 

Wie ihr seht, vieles wissen wir nicht, vieles sehen wir heute (vielleicht) falsch, manches hat einen wahren Kern.

Aber spannend ist die Beschäftigung mit den Kelten allemal!

Jemand hat sie einmal als die „Indianer Europas“ bezeichnet, und ich denke, das ist kein so schlechter Vergleich (auch wenn das heute wohl unter cultural appropriation fällt). Möglicherweise geben uns die Naturvölker Nordamerikas ein zeitlich näheres und damit greifbareres Bild über die Kelten, als was wir in alten römischen und griechischen Texten über sie finden.

Aber vielleicht ist auch das ein Klischee …

 


Von den Göttern gesegnet, von ihrem Meister verflucht, war die Bardin Arduinna gezwungen, alles für ihre Liebe zu opfern.

Eine keltische historische Romanserie, die dich in Zeiten versetzt, als Wörter Waffen sein konnten und deine einzigen Freunde ein Wolfshund und ein Rabe.

Tauch ein in die Welt der Kelten und fühle den Pulsschlag jener Zeit in dir!

 

Die Wortflechterin der Kelten, historische Romanserie
Die Wortflechterin der Kelten, historische Romanserie

Randbemerkung: Ich bin Autorin, keine Historikerin, Archäologin oder Zeitreisende (das wäre spannend ...), ich gebe in meinem Blog einerseits nur meine Meinung weiter und andererseits Wissensbissen, die ich im Zuge meiner Recherchen für meine Keltenromane aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen habe. Da ich jemand bin, der sich zwar Informationen und Geschichten merkt, aber nicht wissenschaftlich arbeitet, verzeiht bitte, dass ich (meist) keine Quellenangaben mache, schon gar nicht zu Wissensbissen, die man in vielen Quellen findet.

 

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